
Bild v.l.n.r.: Jubilar Marcel Dietrich und FLOW-Geschäftsführerin Petra Neumeier im Gespräch zum „Zehnjährigen“
Herr Dietrich, wie sind Sie vor zehn Jahren bei der FLOW gelandet? “Ich bin da so ein wenig hineingestolpert. Während des Studiums habe ich eigentlich in einer offenen Jugendhilfeeinrichtung gearbeitet. Nach dem Abschluss habe ich mich dann in die stationäre Jugendhilfe gewagt und dafür im KSH FLOW Bottrop hospitiert, dann in der IWG Gladbeck. Dort stellte sich dann schnell gegenseitige Begeisterung ein, sodass ich bis 2020 in Gladbeck im Gruppendienst tätig war.
Wir waren denn Ihre ersten Eindrücke von der stationären Jugendhilfe?
Wenn ich zurückdenke, dann möchte ich auch für die FLOW-Neueinsteiger mal ganz ehrlich meine Erinnerungen teilen: Die ersten zwei, drei Monate habe ich nach Feierabend oft gedacht: Da geh ich nie wieder hin! So ein Alltag ist stressig. Wenn man neu ist, probieren die Kinder alles mit einem aus.”
Was denn zum Beispiel?
“In meinem ersten Solo-Dienst kam nach einer Stunde ein Kind zu mir und sagte: „Marcel, die anderen haben die Süßigkeiten aus dem Schrank geklaut und sich in dem Mitarbeiter-WC eingesperrt.” Natürlich kann ich heute darüber lachen, aber damals war ich damit erstmal überfordert. Was ich sagen möchte: Es braucht die eigene Erfahrung, um in diesen Job reinzukommen. Man wächst da rein.
Auch mit meinem Mentorenkind hat es viel Geduld gebraucht, um eine Beziehung aufzubauen und Vertrauen entstehen zu lassen. Letztlich glaube ich aber auch, dass man einfach für diese Arbeit gemacht sein muss. Und nach einem halben Jahr hatte ich in der Gruppe auch die Anerkennung und das Standing. Wir haben in einem sehr beständigen Mitarbeiter- und Bewohnerteam für 7,5 Jahre die Kids großgezogen. Gäbe es nochmal so eine Wohngruppe wie in Gladbeck, würde ich ins Grübeln kommen, nochmal in den stationären Bereich zu wechseln.“
Seit zwei Jahren sind Sie nun Teamkoordinator für die ambulanten Dienste in Bottrop. War das eine große Umstellung?
„Ich musste feststellen, dass diese geregelte 5-Tageswoche, die man als ambulanter Mitarbeiter erlebt, etwas anderes ist und dass mir der Gruppendienst und das Schichtmodell anfänglich fehlten. Vor allem die Wochenend-Dienste habe ich gerne gemacht, weil es da weniger Strukturzwänge und mehr Möglichkeiten zu freizeitpädagogischen Ausflügen gibt. Man muss niemanden morgens aus dem Bett schmeißen und zur Schule bringen oder zum Therapeuten oder Besuchskontakt. Da liegt der Fokus auf Freizeit und das zeigt sich auch in der Gruppenstimmung. Ich fand das immer sehr schön.“
Sie sagen der Mix aus ambulanten Fällen und Teamkoordination sei herausfordernd, mache aber auch Spaß. Wenn sie sich etwas wünschen könnten, was wäre das?
„Ich bin so zufrieden, wie es ist. Wünschen würde ich mir, dass ich gesund bleibe und dass sich die Zustände in der Kinder- und Jugendhilfe verbessern, dass mehr Geld für die Kinder ausgegeben wird.“
Ihr Tipp an sich selbst im Jahr 2013? „Durchhalten, es lohnt sich. Die Anfangszeit ist hart, aber denke an die Belohnung, wenn man nur ein Kind im Dienst zum Lächeln gebracht hat.“