Seit 2016 forscht ein wissenschaftliches Team der Fachhochschule Dortmund (Fachbereich Angewandte Sozialwissenschaften) unter der Leitung von Frau Prof. Dr. Katja Nowacki und Silke Remiorz über die Aufnahme- und Lebenssituationen von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen (UMF) in der Kinder- und Jugendhilfe.
Nun wurden die ersten Zwischenergebnisse der Studie „HUMAN“ in einem Workshop dem interessierten Fachpublikum, bestehend aus Mitarbeiter*innen der Jugendämter und der FLOW gGmbH, präsentiert. Im Ergebnis konnte Silke Remiorz, die als Referentin am Workshop teilnahm, bereits festhalten, dass ein Großteil der Jugendlichen die anfängliche Aufnahme in den Gruppen der KJH FLOW gGmbH als positiv aufnahm.
Die männlichen Befragten unter achtzehn Jahren erklärten als häufigste Fluchtgründe aus ihren Heimatländern Krieg, Gewalt, Rechtsstaatslosigkeit, unsichere Perspektiven und fehlende Ausbildungsmöglichkeiten. Die Ankunft in Deutschland habe vor allem das Ziel der Sicherheit erfüllt. Über die Betreuung in den „gemischten“ FLOW-Wohnprojekten, in denen von Beginn an sowohl UMFs als auch deutsche Jugendliche untergebracht sind, wurde insbesondere die Beziehungsarbeit der Betreuer*innen positiv bewertet, die bereits nach kurzer Zeit häufig als familienähnliches Setting empfunden wurden. Auch die Unterbringung (Zimmerausstattung und -größe) wurde positiv bewertet.
Problematisch zeigte sich insbesondere die anfängliche Sprachbarriere, die zu Missverständnissen führte, ebenso die Überbrückungszeiten, „der Leerlauf“, bis die Jugendlichen die Schule besuchen konnten. Auch die behördliche „Aufschiebung“ von Arbeitserlaubnissen führte zu erheblicher Belastung der jungen Menschen. „Das oberste Ziel der geflüchteten Jugendlichen ist das Gefühl der Sicherheit. Bis dahin funktionieren die Menschen, das ist typisch für Traumatisierungen. Wenn dann aber Ruhe einkehrt, kommen die schlimmen Erlebnisse zu Tage und führen zu Belastungen, die aufgearbeitet werden müssen“, erklärte FLOW-Geschäftsführer Hermann Muss und ergänzte, dass es aus diesem Grund auch erklärbar sei, wieso Jugendliche zum Beispiel plötzlich gewalttätig würden, nachdem sie schon gewisse Anpassungsleistungen vollzogen hätten.
„Das ist der Kern der Traumapädagogik. Ist das Sicherheitsbedürfnis hergestellt, setzt die Retraumatisierung ein, die dann therapeutisch begleitet und aufgearbeitet werden muss. Deshalb werden Jugendliche eben nicht „plötzlich“ gewalttätig, sondern zeigen Reaktion auf schlimme Ereignisse. Dieser Effekt gilt übrigens auch für die heimischen Kinder, die bei uns betreut werden.“ Insgesamt dient die Studie zur Verbesserung und Entwicklung von einrichtungsinternen Standards und Netzwerken wie etwa der UMF-AG, in der fortgebildete Mitarbeiter*innen zum Beispiel ihr Wissen über Behördengänge und Antragswesen bei Ämtern wie Sozialamt, Jugendamt, Ordnungsamt, Gesundheitsamt und Ausländeramt an die Kolleg*innen weitergeben können, um die Fehlerquote niedrig zu halten.
Die Studie mit vierundvierzig Teilnehmern fand anonymisiert statt. Bis Ende des Jahres 2017 soll eine kleine zweite Erhebungswelle zu Vergleichszwecken stattfinden.